Europa im Endkampf

Begonnen von Hans, August 11, 2012, 09:28:12

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Hans

Revolte in Europa

Wie verändern Globalisierung und Finanzkrise Europa? Als Reaktion auf die politischen und sozialen Implikationen kommt es vermehrt zu Ausschreitungen. Ein Drittel aller Ausschreitungen weltweit im Jahr 2009 gab es in Europa.

http://www.youtube.com/watch?v=UOkQ8zfKijw
"Vertrauen Sie denen, die nach der Wahrheit suchen, und mißtrauen Sie
denen, die sie gefunden haben."
(André Gide)

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Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. (Bild: AP)Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. (Bild: AP)

"Wir sind in einer Megakrise"

Ifo-Chef Sinn erneuert Kritik an EZB - Wirtschaftslage in Südeuropa "katastrophal"

Hans-Werner Sinn im Gespräch Jürgen Liminski

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, distanziert sich von einem Aufruf zahlreicher Wirtschaftswissenschaftler, die sich hinter die Politik von EZB-Chef Draghi stellen. Die Europäische Zentralbank überschreite ihre Kompetenzen, kritisiert Sinn. Da "muss der Bundestag ran".

Jürgen Liminski: Kurz vor der Einführung des Euro, Ende 1999, zitierte der "Spiegel" den damaligen Premier Luxemburgs und künftigen Chef der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker, mit diesen Worten: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter, Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt." In den letzten Jahren sind viele kleine Schritte erfolgt, seit der Lehman-Krise 2008 auch immer schneller. Heute steht die Euro-Zone mit einem Bein in der gemeinschaftlichen Schuldenhaftung, und genau das scheint ein Aufruf von 200 Wirtschaftswissenschaftlern zu begrüßen und zu wünschen. Der Aufruf wird heute offiziell veröffentlicht. Nicht unterschrieben hat ihn der Präsident des Münchener Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts, Professor Hans-Werner Sinn. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Sinn!

Hans-Werner Sinn: Ja schönen guten Morgen, Herr Liminski.

Liminski: Herr Sinn, der Aufruf drückt, wie es heißt, die große Sorge über die Angriffe einiger deutscher Ökonomen, Politiker und Beobachter auf die Europäische Zentralbank und ihre Maßnahmen aus. Fühlen Sie sich angesprochen?

Sinn: Ja natürlich, denn ich gehöre zu den Kritikern der Politik der EZB, wie genauso viele andere deutsche Ökonomen. Auch die Gutachter, die das Verfassungsgericht eingeladen hat, von denen ich einer war, haben sich ziemlich einhellig kritisch gegenüber dieser Politik ausgedrückt. Nur einer nicht: der Kollege Fratzscher vom DIW, der den Aufruf hier organisiert hat, den ich übrigens sehr schätze. Der möchte jetzt beweisen mit dem Aufruf, dass er sehr viel Zustimmung hat. Das ist ihm aber nicht gelungen. Es sind ganz wenige, die hier unterschrieben haben. Das ist ja ein weltweiter Aufruf, der auch getragen wurde von einem Forschungszentrum in London, und es haben nur knapp 200 Leute mitgemacht. In Deutschland finde ich mehr Mitarbeiter des DIW, also des Instituts von Herrn Fratzscher, als Mitglieder des geldtheoretischen Ausschusses, der hier zuständig gewesen wäre. Da haben von 61 Professoren gerade mal vier unterschrieben und von dem anderen Ausschuss, der noch zuständig ist, von 113 Professoren der Finanzwissenschaft hat kein einziger, soweit ich das weiß, unterschrieben. Also im Grunde war der Aufruf ein ziemlicher Flop.

Liminski: Also die Liste der Unterzeichner schreckt Sie nicht?

Sinn: Das sind die Üblichen. Man weiß ja, dass da unterschiedliche Meinungen bestehen, und es ist ja auch legitim, dass man jetzt in einem solchen Aufruf das noch mal klarlegt, welche Argumente es gibt. Wir brauchen die offene Diskussion über das, was die EZB macht. Da geschieht sehr vieles hinter verschlossenen Türen, was aber dramatische Konsequenzen für die Vermögensrisiken der Völker Europas hat und auch letztlich für den Frieden in Europa hat. Also ich finde, da muss mehr Licht in das Dunkel.

Liminski: Gehen wir mal in die Sache selber. Die 200 Unterzeichner werfen ihren akademischen Gegnern, also auch Ihnen, um das mal so zu sagen, vor, ein falsches Verständnis der Zuständigkeiten von Zentralbanken zu haben. "Als Kreditgeber letzter Instanz" - ich zitiere da aus dem Aufruf - "muss eine Zentralbank sicherstellen, dass allen Teilen der Wirtschaft ausreichend Liquidität zufließt. Der geldpolitische Transmissionsmechanismus müsse funktionsfähig bleiben." Was spricht dagegen?

Sinn: Ja, schauen Sie, das ist ja das, was die EZB schon lange nicht mehr macht, dass sie nur Liquidität zur Verfügung stellt, sondern sie gibt Beistandskredite in riesigem Umfang an marode Banken verschiedener Länder, unterstützt Staaten, indem sie deren Staatspapiere aufkauft, und jetzt eben der kritische Punkt dieses OMT-Programm. Da verspricht sie ja, unbegrenzt die Staatspapiere von gefährdeten Staaten aufzukaufen. Letztlich sagt sie den Inhabern dieser Papiere, den Investoren aus aller Welt, Leute, habt mal keine Sorgen, wenn ihr dahin geht, bevor ein Land Pleite geht, könnt ihr zu mir kommen, ich kaufe euch dann diese Sachen ab und nehme die Abschreibungsverluste in meine Bücher. Das heißt aber, damit belastet sie natürlich die Steuerzahler Europas, denn die Finanzministerien sind ja die Eigentümer der EZB und kriegen die Gewinnausschüttungen. Das heißt, hier werden normale Refinanzierungskredite mit guten Zinsen ersetzt durch Schrottpapiere und dann fließen die Gewinne nicht mehr. Die Verluste liegen also bei jedem von uns und anteilig nach der Größe des Landes. Das finde ich nicht in Ordnung, das ist eine rein fiskalische Politik, und als solche gehört sie unter die Kontrolle der Parlamente und es ist nicht Sache des Gouverneursrates der EZB, wo Deutschland mal gerade so stark vertreten ist wie Malta, diese Entscheidungen zu treffen.

Liminski: Hat die EZB damit ihre Kompetenzen überschritten, oder zumindest angekündigt, dies zu tun?

Sinn: Nach meiner Meinung ja und auch nach der Meinung der meisten Fachgutachter vor dem Verfassungsgericht. Sogar der Initiator dieses Aufrufs, der deutsche Initiator, Herr Fratzscher vom DIW, der ja früher bei der EZB war, hat auf Rückfrage vor dem Gericht eindeutig erklärt, dass dieses OMT eine monetäre Staatsfinanzierung sei. Er hat zwar gemeint, dass das richtig ist, weil alle Zentralbanken das machen. Da hat aber dann ein Richter gefragt, finden Sie, das ist ein Argument. Wir haben nämlich in Europa anders als andere Zentralbanken ja eine Sondersituation. Wir haben ja noch nicht die Vereinigten Staaten von Europa begründet. Wir haben noch nicht die gemeinsame Haftung, wie sie mit einem gemeinsamen Staatengebilde verbunden ist, sondern wir haben den Versuch gemacht, eine Währung trotz des Beibehalts der Nationalstaaten zu machen. Aus dem Grunde gibt es zwei Artikel im Maastrichter Vertrag, die eben ungewöhnlich sind. Das ist einmal der Artikel 123, der die monetäre Staatsfinanzierung verbietet, und dann der Artikel 125, der sagt, dass die Staaten nicht gegenseitig für ihre Schulden einstehen. Im Grunde sind wir in dieser ganzen Rettungsmaschinerie dabei, diesen Maastrichter Vertrag zu brechen. Das begann mit den Entscheidungen vom Mai 2010, riesige Haftungsrisiken umzuladen auf die Steuerzahler, und da, finde ich, ist eigentlich das wirkliche Problem. Wir haben jetzt doch im Grunde drei Gruppen von Menschen. Wir haben einmal die Schuldner, die sitzen meistens in Südeuropa. Wir haben die Gläubiger, das sind die Investoren aus aller Welt, auch unsere Banken. Und wir haben die Steuerzahler. Schuldner und Gläubiger haben ein Problem miteinander, weil der Schuldner nicht zurückzahlen kann, und jetzt möchte man also, dass der Steuerzahler einspringt, die Gelder zur Verfügung stellt, damit die Gläubiger sich noch aus dem Staube machen können. Das ist doch die einfache Geschichte. Wenn man das will, dann muss man das auch zum Gegenstand einer parlamentarischen Beratung machen. Dann muss der Bundestag ran und muss diese Entscheidung treffen, und genau darum geht es: Darf der Gouverneursrat der Europäischen Zentralbank, der ja eigentlich nur Geldpolitik beaufsichtigen soll, solche Entscheidungen von solcher Tragweite treffen, oder ist das eine Sache, die in die Parlamente gehört. Bislang hieß es, es gehört in die Parlamente.

Liminski: Dann ist der Aufruf, so ökonomisch-wissenschaftlich er ist, wenn ich Sie recht verstehe, vor allem ein politischer Aufruf?

Sinn: Ja, ja, natürlich! Es geht ums nackte Geld. Das ist ja klar, wie immer bei diesen Dingen.

Liminski: Italien steht wieder vor politischen Turbulenzen, die möglicherweise auf den Euro übergreifen könnten. Sehen Sie da einen Zusammenhang zwischen dem drohenden Aufflackern der Euro-Krise und dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Aufrufs?

Sinn: Na ja, das weiß ich nicht. Der Aufruf wurde ja vor drei Wochen schon lanciert und es hat ja ewig lange gedauert, bis man da ein paar Unterschriften zusammen hatte, obwohl man alles Mögliche probiert hat. Und die neue Krise, die jetzt durch die Verurteilung Berlusconis gekommen ist, die konnte man ja damals nicht vorhersehen. Ich weiß also nicht.

Liminski: Wie beurteilen Sie denn die Lage in Italien und in Südeuropa ganz allgemein?

Sinn: Ja schlecht! Wir haben eine Megakrise. Die Massenarbeitslosigkeit ist ja kaum beherrschbar. Die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland ist 64 Prozent, in Spanien ist sie über 55 Prozent. Die Gesamtarbeitslosigkeit in diesen beiden Ländern ist 27 Prozent. Ich frage mich, wie lange die Länder das noch aushalten. Es ist also praktisch im Euro die ganze Katastrophe eingetreten. Die Länder sind ja durch den Euro zu billigem Geld gekommen, haben lange Zeit mit diesem billigen Geld ihre Löhne und Preise erhöht, haben sich letztlich ein gutes Leben gemacht, haben über die Verhältnisse gelebt und haben Leistungsbilanzdefizite gehabt, die vom Ausland finanziert wurden. Und als dann die Krise kam und das keiner mehr finanzieren wollte, zeigte sich, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren haben. Da stehen wir heute. Das ist ein ganz, ganz schwieriger Prozess, da wieder den Rückwärtsgang einzuschlagen und von den hohen Anspruchsniveaus auf den Boden der Realität zurückzukommen. Man sucht jetzt alle möglichen Rettungssysteme, um sich der Wahrheit hier nicht zu stellen, aber das ist ja praktisch nur ein Schmerzmittel. Es trägt ja nicht zur Heilung bei, sondern im Gegenteil: Diese ganzen Maßnahmen verzögern die Heilung. In Italien tut sich rein gar nichts, was die nötigen Reformen betrifft. Mario Monti hatte das probiert, der ist dann abgesetzt worden, er kommt einfach nicht durch. Man kommt erst durch, wenn es absolut notwendig ist, und solange noch Geld aus irgendwelchen öffentlichen Quellen zur Verfügung steht, passiert hier gar nichts.

Liminski: Mehr als ein akademischer Disput - der Streit um die Rolle der EZB. Das war hier im Deutschlandfunk der Präsident des Ifo-Wirtschaftsforschungsinstituts, Professor Hans-Werner Sinn. Besten Dank für das Gespräch, Herr Sinn.

Sinn: Gerne.

 

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/2206398/
"Vertrauen Sie denen, die nach der Wahrheit suchen, und mißtrauen Sie
denen, die sie gefunden haben."
(André Gide)

Hans

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Neoliberalismus
Die Rückkehr der Leibeigenschaft

Nullstundenarbeitsverträge in Britannien, immer mehr Werksvertragsverhältnisse in Deutschland: In der Arbeitswelt ist der Neoliberalismus weiterhin eine soziale Kraft.

Von Pit Wuhrer

Wer traut den Neoliberalen noch über den Weg? Wer glaubt noch an die Verheissungen marktradikaler Konzepte? Gesellschaftlich hat die Ideologie der Wirtschaftsradikalen während der letzten Jahre ziemlich abgewirtschaftet. Dass der freie Markt alles besser regelt, dass Privatunternehmen effizienter sind als die öffentliche Hand, dass ohne staatliche Eingriffe (und Hilfe) die Wirtschaft floriert – all diese Glaubenssätze sind seit Beginn der Finanzmarktkrise 2008 verdampft. Wo immer möglich, votieren grosse Mehrheiten gegen weitere Privatisierungen und Deregulierungen; erst vor kurzem bodigte eine breite, staatenübergreifende Onlinekampagne einen Plan der EU-Kommission, die den Verkauf der Trinkwasserversorgung erlauben wollte; die wachsende soziale Ungerechtigkeit ist vielerorts zum zentralen Thema geworden, nicht zuletzt im deutschen Wahlkampf.

Nur bei den PolitikerInnen, so scheint es, stellt der Neoliberalismus noch eine Kraft dar. Doch der Eindruck täuscht: Gerade im Kernbereich des Kapitalismus, den Arbeits- und Ausbeutungsverhältnissen, treiben Marktradikale die Menschen vor sich her. In Britannien zum Beispiel wird derzeit ein neues Phänomen zum Skandal: die «zero hour contracts» genannten Arbeitsverhältnisse, die Beschäftigte zwar vertraglich an ein Unternehmen binden, ihnen aber keinen Anspruch auf eine bestimmte Arbeitszeit und damit auf Lohn garantieren. Die Lohnabhängigen wissen nicht, wie oft, zu welchen Tageszeiten und ob überhaupt ihre Arbeitskraft abgerufen wird.

Diese Form von Leibeigenschaft sei «nur eine Randerscheinung», beteuerte die Regierung – bis Anfang August ein unabhängiges Institut aktuelle Zahlen veröffentlichte. Diesen zufolge umfasst die neue Reservearmee rund eine Million Erwerbstätige – Menschen also, die zu Monatsbeginn nicht wissen, wie viele Stunden sie arbeiten werden, ob sie überhaupt etwas verdienen, wie sie ihre Familien durchbringen können. Ihre Arbeitssituation gleicht jenen der Tagelöhner in den britischen Häfen des 19. Jahrhunderts. Damals standen die Docker jeweils frühmorgens vor den Heuerbüros der privaten Hafengesellschaften – und mussten mitunter buchstäblich um Arbeit betteln.

Die Rückkehr des Tagelohns im 21. Jahrhundert orchestrieren nicht etwa besonders fiese Firmenchefs, die sich angesichts der Arbeitslosigkeit die Kosten für Ferien und Krankheitsgeld sparen. Auch grosse Unternehmen gehören dazu – der Sicherheitskonzern G4S etwa, McDonald's und Burger King, Amazon, die Drogeriemarktkette Boots, der Kinobetreiber Cineworld. Der geschäftlich erfolgreiche Sportartikelhändler Sports Direct hat gleich neunzig Prozent seiner Belegschaft – rund 23 000 Beschäftigte – auf Basis solcher Nullstundenverträge angestellt. Und es sind nicht nur Privatfirmen, die aus diesem flexibelsten aller flexiblen Arbeitskräftereservoirs schöpfen – auch der Buckingham-Palast, die Tate-Galerien, viele Kommunen und selbst der staatliche Health Service stellen Leute auf Abruf ein.

Die Regierung fördert dieses System. Denn in ihrer Arbeitslosenstatistik tauchen diese Erwerbstätigen selbst dann nicht auf, wenn sie keinen Penny verdienen: Sie haben ja einen Arbeitsvertrag.

Ähnlich sieht es auch in Deutschland aus, wo Kanzlerin Angela Merkel mit Verweis auf die Arbeitsmarktzahlen ihre Regierung über den grünen Klee lobt. Was Merkel dabei nie erwähnt, ist die Tatsache, dass derzeit fast ein Viertel aller Beschäftigten sieben Euro netto oder weniger in der Stunde verdient. Dass fünf Millionen MinijobberInnen (zwei Drittel davon sind Frauen) mit 450 Euro im Monat auskommen müssen. Dass der Staat pro Jahr über elf Milliarden Euro an Sozialhilfe ausgeben muss, weil der Lohn von Millionen unter dem Existenzminimum liegt. Und dass zunehmend regulär Angestellte durch ArbeiterInnen mit Werksverträgen ersetzt werden – durch Selbstständige, die ihre Sozialversicherungsbeiträge selber bezahlen müssen, keinen Anspruch auf bezahlte Ferien oder Lohnersatz im Krankheitsfall haben, manchmal nicht einmal krankenversichert sind, keine Mitbestimmungsrechte haben und für die nicht einmal die in manchen Branchen ausgehandelten Mindestlöhne gelten.

Auf der Basis solcher Werksverträge arbeiten osteuropäische Schlachter in deutschen Fleischfabriken (für einen Stundenlohn von drei Euro), Hotelbeschäftigte, das Personal in Backwarenfabriken, VerkäuferInnen und (etwas besser bezahlt) BandarbeiterInnen bei Daimler, VW und BMW. Oder Monteure im Schiffsbau. Allein die profitable Meyer-Werft, bekannt für ihre Kreuzfahrtschiffe, deckt rund 45 Prozent ihres Personalbedarfs durch Arbeitskräfte ab, deren Verträge jederzeit storniert werden können.

Bisher hatten all diese Firmen auf LeiharbeiterInnen zurückgegriffen. Doch seit manche Gewerkschaften für die rund eine Million temporär Beschäftigten tarifliche Verbesserungen erzielen konnten und gesetzliche Mindestanforderungen gelten (Minimallohn: 8,19 Euro), setzen immer mehr Unternehmen, völlig legal, auf die noch billigeren Werksvertragsbeschäftigten. Und mit ihnen – durch das Ausgliedern öffentlicher Aufgaben – auch staatliche Institutionen.

Solange Regierungen solch krasse Formen der Ausbeutung erlauben und selbst praktizieren dürfen, muss man sich über das freche Selbstbewusstsein der neoliberalen Kräfte nicht wundern.
http://www.woz.ch/1334/neoliberalismus/die-rueckkehr-der-leibeigenschaft
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Deutsche optimistisch: Über 50 Prozent erwarten Austritte oder Zusammenbruch der EU


EU-Zentrale in Brüssel / Foto: Amio Cajander / Lizenz: CC BY-SA 2.0

 

Von Paul Müller

Mehr als die Hälfte der Deutschen sieht die Europäische Union auf ihr Ende zusteuern – zumindest in ihrer bisherigen Form. Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag der "Leipziger Volkszeitung". Jeder fünfte glaubt sogar glaubt sogar an den völligen Zusammenbruch des Brüsseler Gebildes. Vor allem unter jüngeren Befragten sind optimistisch, daß die Tage der EU gezählt sind.

Jeweils 20 Prozent der Wähler in Ost und West erwarten der Studie zu Folge, daß die Europäische Union völlig auseinander fällt. Gut ein Drittel – Ost: 36, West: 34 Prozent – gehen zwar von der weiteren Existenz der Union aus. Allerdings würden ein oder mehrere Staaten die Organisation verlassen. Was ein Novum wäre. Zwar vollzog Grönland einst den Austritt, ist jedoch kein eigenständiger Staat. Lediglich 36 Prozent der Ost- und 41 Prozent der Westdeutschen sind dagegen noch auf der Alternativlos-Linie. Sie erwarten, daß die EU eine "gute Zukunft" hat.

Besonders hoch ist die Erwartung an ein Aus des Brüsseler Gebildes bei den 18- bis 29jährigen. Hier geht jeder Vierte vom Zusammenbruch aus. Bei den älteren Wählern über 50 erwartet nur jeder Siebte das Ende der Union. Jugendliche im Osten erwarten nur zu 30 Prozent eine gute Zukunft der Organisation; im Westen sind es 36 Prozent. Männer sind etwas pessimistischer und erwarten zu 44 Prozent für die EU positive Entwicklung; Frauen befürchten dies nur zu 37 Prozent.

Überraschender Weise gibt es vor allem unter den Anhängern von Linken und Piraten besonders viel Zustimmung zu einem Ende, wie auch eine guten Zukunft der EU. Dies könnte damit erklärbar sein, daß beide Parteien eher Menschen binden, die sich überdurchschnittlich mit der Union beschäftigen. Eine regelrechte Anti-EU-Partei gibt es, geht man von den Antworten der befragten Anhänger aus, jedoch nicht.

Auf den ersten Blick erstaunlich ist, daß viele Deutsche zentrale Forderungen der EU durchaus teilen. So benötigt Europa nach Ansicht von 65 Prozent eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Für 60 Prozent bedeutet ein vereinigtes Europa einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den USA und China. Immerhin 43 Prozent wünschen sich eine EU-Regierung, vergleichbar mit den nationalen Führungen. Allerdings gehen auch 54 Prozent davon aus, daß der Zusammenschluß von Ländern mit derartig unterschiedlich entwickelter Wirtschaft "nicht gut gehen" kann. 53 Prozent wolle keine Aufnahme neuer Mitglieder in die Organisation.
http://www.berliner-umschau.de/news.php?id=18112&title=Deutsche+optimistisch%3A+%DCber+50+Prozent+erwarten+Austritte+oder+Zusammenbruch+der+EU&storyid=1001378721845
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 Euro-Debatte im Staats-TV: Ein System demaskiert sich selbst
Deutsche Wirtschafts Nachrichten  |  Veröffentlicht: 26.09.13, 02:31  |  Aktualisiert: 26.09.13, 10:20  |  108 Kommentare   

Bei einer Diskussion in der ARD wurde deutlich: Die Euro-Retter in Deutschland stehen auf verlorenem Posten. Zumindest wenn es um die Argumente geht. Der muntere Professor Lucke mischte die Runde auf - obwohl eigentlich eine glatte Diffamierung geplant war. Am Ende blieben den Eliten nur noch Gehässigkeiten. Die Republik ändert sich. Und das tut den vermeintlich Mächtigen sichtbar weh.
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Ein Euro-Gegner gegen den Rest der Welt: Die geplante Hinrichtung durch das Staats-TV wurde von Argumenten ausgehebelt. (Screenshot: ARD)

Ein Euro-Gegner gegen den Rest der Welt: Die geplante Hinrichtung durch das Staats-TV wurde von Argumenten ausgehebelt. (Screenshot: ARD)

Eigentlich war die Dramaturgie der Sendung Anne Will auf einen Heimsieg angelegt: In der Diskussion am Donnerstag in der ARD sollte es um den Euro gehen – das heißt, um die pathetische Verteidigung des Status Quo. In der Logik des Staats-Fernsehens: Es geht um die Diskreditierung all derer, die sich kritisch mit der Milliarden schweren Alternativlosigkeit jener auseinandersetzen. Es geht um die Unterstützung derer, denen es nicht um den Euro, sondern um den Machterhalt geht.

Die Personen der Handlung: Edmund Stoiber (CSU), Gesine Schwan (SPD), ein Kabarettist und ein erfolgreicher Lifestyle-Journalist aus dem Hause Axel Springer.

Damit sollte die Party auf sicherem Boden bleiben: Immer wieder werden Kabarettisten eingeladen, damit politische Diskussionen zu später Stunde nicht nahtlos in den Schlaf übergehen. Die Journalisten des Springer-Konzerns sind per Arbeitsvertrag verpflichtet, nicht kritisch über die Nato und die unendlichen Segnungen der transatlantischen Freundschaft zu schreiben – daher ist von dieser Seite auch nichts Unvorhergesehenes zu befürchten.

Weil aber das Staats-Fernsehen auch nicht ganz übersehen kann, dass es bei der Bundestagswahl vor gerade mal drei Tagen mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine Partei aus dem Stand fast den Einzug in den Bundestag geschafft hatte, wurde auch Bernd Lucke eingeladen, der Hamburger Professor, der als Spitzenkandidat der AfD schon seit längerem eine freundliche Aufnahmen bei den Öffentlich-Rechtlichen erfährt.

Lucke wurde zunächst am Katzentisch platziert.

Also dort, wo die GEZ-Sender in der Regel ihren Tribut an den Voyeurismus des Privatfernsehens zollen.

Dort sitzen in der Regel die ,,Betroffenen". Ihnen werden einige Minuten der Diskussion zugedacht.

Damit die Mächtigen dokumentieren, dass es ihnen sehr wichtig ist zu hören, was die ,,Menschen da draußen" denken.

Die plumpe Dramaturgie kam jedoch erstmals ins Wanken, als die ARD einen Beitrag zur AfD einspielte. Und natürlich, es kann ja nicht plump genug sein, wurde die AfD in dem Beitrag ins rechtsextreme Eck gerückt: Ein schon seit längerem für den Sender immer wieder als Experte bemühter ,,Politikwissenschaftler" nahm ein Plakat der Afd zum Anlass, um zu dokumentieren, dass die Gedanken der AfD rechtsradikal seien. Das Plakat, das sicher keinen Preis für differenzierte Politik erhalten wird, sagt: ,,Einwanderung ja, aber nicht in unser Sozialsystem."

Doch die Produzenten der Sendung hatten Lucke sträflich unterschätzt: Der Professor las nämlich als Replik auf den Vorwurf aus dem Parteiprogramm der CDU vor.

Dort steht fast wörtlich dasselbe.

Da kam erst einmal Stoiber kräftig ins Schwitzen: Der Vorsitzende der EU-Arbeitsgruppe zum Bürokratie-Abbau konnte nicht gut vor laufender Kamera die Stamm-Klientel der CSU desavouieren. Also erklärte er wortreich, dass es schon ein Problem werden könnte, wenn aus Bulgarien und Rumänien zu viele Menschen kommen und sich der hoch verschuldete deutsche Haushalt das nicht unbegrenzt leisten kann.

Die ARD versuchte es mit einem zweiten Anlauf: Sie spielte in mehrfacher Wiederholung einen Auftritt von Lucke ein, wo der, etwas siegestrunken und nicht sehr gut überlegt, davon sprach, dass der Erfolg der AfD eine Antwort der ,,Entartung" der Demokratie sei.

Lucke verteidigte seine Wortwahl nicht besonders geschickt. Etwas akademisch zog er einen Vergleich mit dem Wortgebrauch von Ärzten, die bei einem Krebsgeschwür auch von ,,entarteten Zellen" sprächen. Er wollte damit sagen: Man könne ein Wort nicht verbieten, nur weil es die Nazis verwendet haben. Das ist jedoch im politischen Geschäft falsch, weil man ein so belastetes Wort als Politiker nicht verwenden sollte. Es gibt andere Worte, um auf Fehlentwicklungen hinzuweisen.

Ein Politiker sollte auch nicht den Stinkefinger zeigen.

Solch ungeschriebene Regeln gibt es. Das müssen Profis wissen.

Dieser Filmbeitrag und Luckes ungeschickte Verteidigung waren eine Vorlage für Gesine Schwan: Sie fand das ganz schrecklich, dass man die Demokratie mit einem Krebsgeschwür vergleiche.

Doch der Konter der politischen Profi-Frau verfing nicht.

Denn Lucke bestand darauf, dass es Unsinn sei, über ein Wort zu diskutieren anstatt über die Sache. Lucke donnerte, nun nicht mehr lächelnd, los: Er finde es für eine verheerende politische Fehlentwicklung und eine Zerstörung der Demokratie, wenn die Bundesregierung dem Parlament Papiere im Umfang von mehreren hundert Seiten vorlegt, über das die Abgeordneten, die eigentlich nur ihrem Gewissen verpflichtet seien, in wenigen Tagen abzustimmen hätten.

Und zwar alternativlos.

Der engagierte Vortrag von Lucke veranlasste Anne Will schließlich, den Professor vom Katzentisch zu holen.

Und plötzlich saß der, den mal eigentlich als Paria entlaven wollte, inmitten einer großen, bundesdeutschen Koalition aus Parteien, Unterhaltung und Medien – und brachte die Runde an den Rande des Abbruchs.

Obwohl alle Beteiligten versuchten, den ungebetenen Star-Gast mit Durchhalte-Parolen niederzureden (,,Populist!",,,Nationalist", ,,Chauvinist", Europa ist groß!", ,,Europa hat uns nur gutes gebracht!", Wenn wir das tun, was Sie sagen, gibt es Millionen Arbeitslose!") brachte Lucke mit ein paar richtigen Sätzen das ganze Propaganda-Gewitter zum Abzug.

Lucke sagte, dass nicht Deutschland unter dem Euro leide, sondern die Völker im Süden Europas. Es sei die Aufgabe aller politischen Parteien, im nationalen Interesse ihrer Völker zu handeln – auch in Deutschland. Darauf leistet der Bundeskanzler sogar seinen Amtseid. Die Euro-Kritiker kommen aus allen Teilen des politischen Spektrums: Aus der FDP, von den Linken, von der CDU.

Stoiber war fassungslos.

Er sagte, dass es rechts von der CSU nichts gäbe, und dass die zwei Millionen Wähler der AfD eine ,,vernachlässigbare Größe" seien.

Der Springer-Journalist nannte immer wieder den Namen seiner Zeitung und griff nach seinem Wasserglas. Er sagte, dass er, der Journalist – wiewohl mit einer ,,gewissen Intelligenz" ausgestattet, den ,,hochintelligenten" Professor nicht verstehe.

Der Kabarettist sagte, die AfD sei rechtsradikal, weil er beim Lesen des Parteiprogramms das Gefühl gehabt habe, sie sei rechtsradikal.

Der Lifestyle-Experte sagte – und da war er wirklich in seinem Element: Wenn jemand etwas so empfindet, wie es der andere nicht gesagt hat, habe der, der es gesagt hat, trotzdem Unrecht.

Frau Schwan bewahrte die Contenance und sagte, dass die überfallsartige Rettungs-Politik im Deutschen Bundestag wirklich keine gute Sache gewesen sei.
Anne Will: Sie moderierte fair, weil sie offenbar gemerkt hat, dass das System gewaltig unter Druck geraten ist. (Screenshot: ARD)

Anne Will: Sie moderierte fair, weil sie offenbar gemerkt hat, dass das System gewaltig unter Druck geraten ist. (Screenshot: ARD)

Es war ein klassischer ,,Zusammenprall der Kulturen": Auf der einen Seite saßen die Systemerhalter und waren völlig außer sich, dass jemand eine andere Meinung vertritt als das, was in den vergangenen Jahren als verpflichtender Sprach- und Denk-Gebrauch von der Meinungsindustrie und der politischen Oligarchie für verbindlich erklärt worden war.

Sie konnten es nicht fassen, dass das Publikum immer wieder bei Lucke klatschte, dass Lucke sich das Recht, einen Gedanken auszuformulieren, erstritt, ohne unhöflich zu werden oder zu schreien.

Und sie waren allesamt völlig perplex, dass es ihnen trotz der guten Vorbereitung der ,,Diskussion" durch das ihnen gehörenden Staats-TV nicht gelang, Bernd Lucke als den legitimen Erben Adolf Hitlers darzustellen.

Am Ende kippte die Stimmung gegen das Establishment. Trotz der mitgebrachten Claqueure, wurden Stoiber und der Kabarettist ausgebuht . Das kommt bei Anne Will – die sich im Übrigen durchaus fair verhielt – so gut wie nie vor.

Die Leute buhten, als beim Establishment die Masken fielen.

Stoiber sagte, Lucke könne nur dort verstanden werden, wo er sich mit seinen Anhängern herumtreibe – im Bierzelt.

Murren im Publikum.

Der Kabarettist, der das letzte Wort haben wollte, sagte: ,,Herr Lucke. Sie haben mich als Meister der Polemik bezeichnet. Dann sage ich Ihnen, was Sie sind: Ein Westentaschen-Demagoge!"

Lauter Protest im Publikum.

Das System war an seinem Tiefpunkt angekommen.

Die Leute verwehren den ,,Eliten" das Lachen und den Applaus, wenn sie einen Andersdenkenden verspotten.

An diesem Punkt war klar: Die Bundestagswahl hat die Republik verändert.

Die Kaiser sind nackt.

Wir sehen eine sprachlose Ignoranz, deren Existenz wir bisher nur vermutet hatten.

Und wir stehen erst ganz am Anfang.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/09/26/euro-debatte-im-staats-tv-ein-system-demaskiert-sich-selbst/
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 Der langsame Tod der Demokratie in Europa
Deutsche Wirtschafts Nachrichten  |  Veröffentlicht: 29.09.13, 02:27  |  Aktualisiert: 29.09.13, 03:02  |  197 Kommentare   

Die FDP abgestürzt, die Grünen gestutzt, die SPD ein Schatten vergangener Zeiten: Der Grund für die Erosion der Parteien ist die schleichende Verlagerung aller politischen Entscheidungen nach Brüssel. 90 Prozent aller Gesetze in Deutschland werden nicht vom Bundestag angestoßen, sondern von der EU. Wir erleben eine Verwandlung der Volk-Herrschaft hin zu einem Feudalsystem der Funktionäre. Die Folgen sind fatal: Die Bürger können nicht mehr selbst über ihr Schicksal bestimmen. In Europa stirbt die Demokratie.

Das große Trauerspiel in wechselnden Besetzungen, doch immer gilt: Am Ende sehen wir den Vorhang und viele Fragen offen. (Foto: dpa)

Die Bundestagswahl hat in gespenstischer Weise Auflösungserscheinungen bei den Parteien zu Tage gefördert. Gleich mehrere Parteien wissen über Nacht nicht mehr, warum sie existieren.

Die Ursachen liegen nicht in faschen Personalien, wie die politische Unterhaltungsindustrie gerne behauptet.

Die Ursache liegt in einer dramatischen Verschiebung der politischen Macht zu Institutionen, deren Befehle die Politik auszuführen hat.

Das bringt die Demokratie in eine ernste Krise.

Bereits im Jahr 2005 hat eine Anfrage des CSU-Abgeordneten Johannes Singhammer erheben, dass der Bundestag faktisch nur noch ein Ausführungsorgan ist. Er muss Gesetze beschließen, die von Brüssel vorgegeben werden.

Von 23.167 Gesetzen und Verordnungen, die im Zeitraum 1998 bis 2004 beschlossen und damit in Deutschland geltendes Recht wurden stammten fast 19.000 aus Brüssel. Das teilte das Bundesjustizministerium dem Abgeordneten Singhammer mit. Der Bundestag hat dagegen nur 4250 Vorlagen verabschiedet. Die Zahl der EU-bestimmten Gesetze ist seither weiter gestiegen – von 84 Prozent auf aktuell über 90 Prozent.

In den vergangenen 15 Jahren ist damit eine schleichende Entmachtung des Bundestags zu beobachten – jener Institution, die eigentlich den Willen der deutschen Bürger vertreten sollte.

Der britische Europa-Parlamentarier Daniel Hannan analysierte bereits vor der Bundestagswahl im Jahr 2005 in einem Beitrag für die Welt:

,,Keiner der Spitzenkandidaten kam im Wahlkampf auf das Thema Europa zu sprechen – außer über den Umweg des umstrittenen Türkei-Beitritts. Gleichwohl war die EU allgegenwärtig. Sie war da wie Banquos Geist aus Shakespeares ,Macbeth': Unsichtbar für die meisten Wähler, schüttelte sie ihre blutigen Locken gegen die Parteioberen, die ja genau wissen, daß sich ihre Programme innerhalb der Koordinaten bewegen müssen, die die europäische Jurisdiktion vorgibt. Daher könnte kein Politiker ehrlicherweise versprechen, die deutsche Landwirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen (dagegen spricht die Gemeinsame Agrarpolitik) oder Arbeitsmarktrestriktionen aufzuheben (dagegen spricht die Sozialcharta), oder die Grenzen besser zu schützen (dagegen spricht Schengen), oder sogar eine radikal andere Wirtschaftspolitik zu machen (dagegen sprechen der Euro und der Stabilitätspakt)."

Das Problem sind nicht allein die nicht gewählten Funktionäre in Brüssel.

Das Problem liegt in dem Umstand, dass es für alle Politiker im Grunde sehr angenehm ist, wenn sie sich selbst keine eigene Meinung mehr bilden müssen. Bei den Notverordnungen zu ESM und Euro-Rettung muss sich Angela Merkel den Vorwurf gefallen lassen, dass sie in einem Stakkato von Notverordnungen zentrale Veränderungen für die wirtschaftliche Lage der Deutschen durch den Bundestag gepeitscht hatte.

Eine Umfrage der Deutschen Mittelstands Nachrichten hatte bei der ESM-Entscheidung ergeben, dass viele Abgeordnete keine Ahnung hatten, worüber sie abstimmen. Einige Parlamentarier verwechselten sogar die ESM-Abstimmung mit der Abstimmung über die Griechenland-Kredite. Bei einer DMN-Umfrage über die deutsche Souveränität holten sich viele Abgeordnete ihre Meinung bei der Fraktions-Führung ab.

Dem kritischen Beobachter erschien das reichlich seltsam.

Doch die Abgeordneten scheinen das Problem gar nicht zu verstehen. Seit nunmehr 15 Jahren sind sie zu einer Abstimmungs-Maschine verkommen, zu einer Art kostspieligem Notariat, dessen Aufgabe nicht darin besteht, den Willen der Bürger, die die Parlamentarier vertreten, in Gesetze zu gießen.

Die Aufgabe aller Parlamente in den Nationalstaaten besteht darin, dass sie ihren Völkern den Willen von Interessensgruppen aufzwingen, die außerhalb der Demokratie stehen. Sie sind lokale Vollzugs-Organe einer global agierende Elite, die keiner kennt, keiner kontrolliert, keiner abwählen kann.

Der frühere Bundespräsident Roman Herzog ist in einem Zeitungsbeitrag mit dem Titel ,,Europa entmachtet uns und unsere Vertreter" zu dem ernüchternden Fazit gekommen: ,,Die institutionellen Strukturen der EU leiden in besorgniserregender Weise unter einem Demokratiedefizit und einer faktischen Aufhebung der Gewaltenteilung."

Das Defizit der Demokratie hat auch gravierende Folgen für diejenigen, die als Repräsentanten der Bürger in den Nationalstaaten eigentlich für die Gesetzgebung zuständig sind: die politischen Parteien.

Daher sind die Zerfallserscheinungen der Parteien nach der Bundestagswahl auch kein Zufall und weit mehr als saisonbedingte Moment-Aufnahmen: Warum weiß die FDP nicht mehr, warum sie liberal sein soll? Warum vergessen die Grünen, dass sie eigentlich für Basisdemokratie, Bürgerrechte und Umweltschutz stehen müssten? Warum beschäftigt sich die SPD nicht mit den Problemen der Arbeiter, sondern nur noch mit innerparteilichen Verteilungs-Kämpfen?

Die Parteien haben resigniert. Sie sind programmatisch in die innere Emigration gegangen. Sie gestalten nicht mehr, sie funktionieren nur noch in einem System, das eigentlich keine Parteien braucht: Einem Funktionärs-Staat, in dem die Amtsträger funktionieren.

Der große Widerstand gegen die politische ,,Klasse" in weiten Teilen der Bevölkerung kommt daher, dass die Parteien nicht mehr die Bürger vertreten, sondern ganz andere Kräfte.

Der Zentralismus in Brüssel ist eine Bündelung von Lobbyisten, Industrievertretern, Tricksern, Manipulatoren und Spin-Doktoren. Diese obskuren Kräfte verfolgen ausschließlich handfeste wirtschaftliche oder partikulare Interessen. Sie haben ihre Späher, Einflüsterer und Drahtzieher auch in all den Nationalstaaten in Position gebracht.

Den Parteien bleiben lächerliche Symbol-Handlungen: Der Brioni-Anzug und die Zigarre als Insignien der Macht bei Gerhard Schröder, das Guido-Mobil, der Veggi-Day, der Stinkefinger.

Mit solchen Kraftmeiereien soll das wahre Problem der Demokratie in Europa übertüncht werden: Dass die Parteien selbst nichts mehr zu bestellen haben, dass sie hochbezahlte Almosen-Empfänger sind, Schauspieler, Kader.

Dieser Verfall der Demokratie in der Mitte der Gesellschaft hat zwangsläufig zu dem geführt, was wir heute in Griechenland beobachten können: Einer Renaissance der Extreme. Rechtsextreme und Linksextreme gewinnen in atemberaubendem Tempo politisches Terrain. Sie profitieren von den Wählern, weil sie ihnen versprechen, das zu zerstören, was den Bürgern eigentlich besonders schützenswert erscheinen müsste: die Demokratie.

Der Erfolg der Radikalen rührt auch daher, weil die etablierten Parteien einen Nichtangriffspakt geschlossen haben: Sie wissen alle, dass sie ohnehin nichts ändern können. Daher verschanzen sie sich vor der Welt in einer undurchlässigen Harmonie. Auch nach der Bundestagswahl haben viele Politiker gesagt, dass es eigentlich gut sei, dass die Parteien durch und durch verwechselbar sind.

Sie haben damit in Zeiten des Wohlstandes dem Zeitgeist entsprochen.

Daniel Hannan:

,,Sie mögen jetzt vielleicht denken: Das ist doch eigentlich etwas Gutes. Konsens ist besser als Dissens. Und es ist vollkommen in Ordnung, wenn all die Politiker endlich mal in einem Punkt übereinstimmen. Doch Achtung: Die Idee, dass Parteiengezänk schlecht für das Land sei, gehört seit den Tagen Napoleons zu den Argumenten sämtlicher Diktaturen."

Und diese Diktatoren schlagen dann zu, wenn es den Völkern schlecht geht.

Die globale Schuldenkrise ist der ideale Nährboden für den Erfolg von Diktaturen. Die Kontrolle der wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen durch eine kleine Clique, durch eine Finanzoligarchie, deren Sprecher undemokratische Einrichtungen wie der IWF, die EZB oder eben die EU-Bürokraten sind, ist nichts anderes als eine elegante Form der Diktatur.

Elegant nicht, weil sie den Nationen weniger schadet als echte Diktatoren.

Elegant deshalb, weil die Völker nicht merken, wie sie unerbittlich ausgebeutet und am Ende enteignet und entrechtet werden.

Wir erleben eine Diktatur des Kleingedruckten: Die Völker Europas können den Diktatoren nicht Einhalt gebieten, weil das Unrecht nicht schreit, sondern durch die Hintertür kommt. In hundert-seitigen Dokumenten, in technokratischer Sprache, mit immer neuen Vehikeln und einem Karussell der Rechts-Verdrehung.

Vorne auf der Bühne spielen, wie Puppen, die Parteien die Rollen, für die sie bezahlt werden.

Tatsächlich erleben wir jedoch den Tod der Demokratie in Europa.

Eine Gattung stirbt aus: An die Stelle der Volks-Herrschaft tritt der Feudalismus der Funktionäre.

Die Geschichte wiederholt sich.

Doch auch die Lehren aus der Geschichte wiederholen sich: Der Aufhebung der Gewaltenteilung folgt in der Regel immer die nackte Gewalt.

In Griechenland, dem Mutterland der Demokratie, erleben wir, wie das Konzept endet.

Es wird einige wenige Profiteure, aber jede Menge Verlierer geben.

Die Geschichte wiederholt sich.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/09/29/der-langsame-tod-der-demokratie-in-europa/
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Hans

 Staatsschulden
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Die große Schulden-Lüge: Europa mit voller Kraft auf Pleite-Kurs
Deutsche Wirtschafts Nachrichten  |  Veröffentlicht: 02.10.13, 01:53  |  Aktualisiert: 02.10.13, 10:03  |  118 Kommentare   

Trotz Milliarden-Rettungen wächst der Schulden-Berg in Europa. Bei den Koalitions-Verhandlungen in Berlin spricht niemand von der größten Gefahr, der Deutschland ausgesetzt ist: Staats-Pleiten sind unausweichlich. Der Bond-Markt sendet erste negative Signale. Wenn die Kredit-Blase platzt, wird es für die deutschen Sparer ein böses Erwachen geben.
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Themen: Arbeitslosigkeit, Bankenrekapitalisierung, Beppe Grillo, Bundesbank, Deflation, Deutschland, Draghi, ESM, Eurobonds, Eurozone, EZB, Finanzkrise, Frankreich, Gabriel, Griechenland, Inflation, Irland, Italien, Krisenländer, Merkel, MPS, OMT, Portugal, Rentenfonds, Schäuble, Schuldenschnitt, Sozialausgaben, Sozialstaat, Staatsanleihen, Staatsschulden, Wohlfahrt   
Im Gleichschritt nach vorne: Europas Staats-Schulden wachsen immer schneller. Angela Merkel und Kollegen auf dem gefährlichen Weg nach unten. (Foto: consilium)

Im Gleichschritt nach vorne: Europas Staats-Schulden wachsen immer schneller. Angela Merkel und Kollegen auf dem gefährlichen Weg nach unten. (Foto: consilium)

In Deutschland wird heiß diskutiert, weshalb die FDP nicht mehr im Bundestag sitzt, ob es eine große Koalition oder eine tolerierte Minderheitsregierung geben soll, ob eine Maut eingeführt wird, ob Schwarz-Rot, oder Schwarz-Grün oder gar eine linke Koalition das Beste für das Land ist.

Alles unerheblich.

Die Frage nach Steuererhöhungen dagegen hat einen gewissen Realitätsbezug.

Jede neue Bundesregierung wird Geld brauchen.

Viel Geld.

Sehr viel Geld.

Und selbst das wird nicht reichen.

Denn am Horizont braut sich das große Gewitter der Staats-Schuldenkrise zusammen.

Erstaunlich, dass keine Partei darüber redet.

Oder aber auch nicht.

Denn Angela Merkel weiß es, Sigmar Gabriel weiß es, die Grünen ahnen es, Gregor Gysi hat auch keine Lösung.

Die europäische Staatsschulden-Krise treibt ihrem Höhepunkt entgegen.

Die Lage in den meisten europäischen Ländern ist kritisch.

Bei einigen weiß man es, bei anderen ahnt man es, und bei manchen will man es nicht wahrhaben.

Die Indizien sind erdrückend, würden Kriminologen sagen.

Italien befindet sich einige Tage nach dem Rückzug von fünf Ministern aus der Koalitionsregierung in einer dauerhaften Regierungskrise. An den Finanzmärkten rentieren italienische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit (die als Bewertungsmaßstab gelten) auf 4,65 Prozent. Der Abstand zu deutschen Staatstiteln erhöhte sich auf den höchsten Stand seit acht Wochen, berichtet Zerohedge.

Sollten in Italien nun Neuwahlen ausgerufen werden, wird sich die Schuldenaufnahme noch weiter verteuern und damit voraussichtlich erneut eine ähnliche Euro-Krise wie im Sommer 2011 auslösen. Auch wenn der Streit innerhalb der Berlusconi-Partei die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen geringer erscheinen lässt – die Regierung ist höchst instabil. Wirkliche Reformen oder radikaler Schulden-Abbau sind in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Denn als im Sommer 2011 die italienische Staatsschuldenkrise hochkochte, griff die EZB ein und wendete eine Staatsinsolvenz ab, indem sie rund 100 Milliarden Euro Staatsanleihen aufkaufte. Damit zog die EZB – berechtigterweise – enorme Kritik auf sich, war es doch der Beginn der ersten großen monetären Staatsfinanzierung in der Eurozone.

Italien lag Ende 2012 mit 127 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf Rekordniveau. Im Jahr 2014 wird die Verschuldungsquote voraussichtlich auf 132 Prozent klettern. Beppe Grillo, der Chef des Movimento 5 Stelle, forderte deshalb bereits einen Schuldenschnitt.

Vor allem die Banken bleiben ein Problem: Der IWF warnte vor den krisenanfälligen Bilanzen. Wenn die älteste Bank der Welt, die Monte dei Paschi di Siena fällt, könnte das eine unkontrollierte Ketten-Reaktion auslösen (mehr hier).

Auch die Schuldenstände und Schuldenquoten der anderen Krisenländer explodieren. Frankreichs Schuldenstand belief sich Ende 2012 auf 90,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ende des Jahres sollen die Schulden rund 93 Prozent betragen und bis Ende 2014 auf 95,1 Prozent oder 1,95 Billionen Euro steigen.

Portugal steht nicht viel besser da. Die Staatsschulden lagen (Ende 2012) bei 123,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Um neue Schulden generieren zu können, muss der Rentenfonds der Bevölkerung neuerdings bis zu 90 Prozent seiner Einlagen in Staatsanleihen stecken. Es sind derzeit etwa vier Milliarden Euro, die aus dem Rententopf in Staatsverschuldung fließen. So will das Land seine Kreditkosten senken, hier.

Irlands Staatsverschuldung lag Ende 2012 bei 117,6 Prozent und soll im kommenden Jahr 122,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Im ersten Quartal 2013 lag das Haushalts-Minus bei 180,5 Milliarden Euro. Nachdem die Unterstützung mittels des ,,Rettungsschirms" EFSF über 85 Milliarden Euro am Ende dieses Jahres ausläuft, bemüht sich die Regierung bereits im Vorfeld um eine ,,Sicherheits-Kreditlinie" im Umfang von zehn Milliarden Euro. Das Land ist faktisch insolvent.

Griechenland ist ebenfalls de facto insolvent. Die Staatsverschuldung lag Ende 2012 bei amtlichen 157 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die Regierung in Athen rechnet für 2014 mit einem Schuldenstand von 191,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die griechische Tageszeitung ,,To Vima" berichtete kürzlich von einem Schuldenstand in Höhe von 321 Milliarden Euro.

Dennoch wird von den Euro-Rettern am Märchen festgehalten, Griechenland könne die Schulden an die öffentlichen Gläubiger, nämlich die Euroländer, zurückzahlen. Um die Haushaltslücken für die nächsten Jahre zu schließen ist aktuell von der Troika zu vernehmen, dass annähernd zehn Milliarden Euro, die für die griechische Bankenrekapitalisierung disponiert waren, in den griechischen Staatshaushalt umgeleitet werden können.

Deutschlands Schuldenstand beträgt aktuell 81,9 Prozent des Bruttosozialprodukts beziehungsweise 2,1 Billionen Euro.

Frappierend dabei ist: Die Target-2 Kredite bleiben bei der Schuldenstands-Berechnung von Finanzminister Schäuble außer acht. Sie belaufen sich derzeit auf 574 Milliarden Euro und stehen als Forderungen gegenüber anderen Euro-Staaten als dickes Minus in den Salden der Bundesbank.

Das hat seinen Grund: Die Bundesbank ist verpflichtet, Kredite an die Zentralbanken der Krisenstaaten in der Eurozone zu vergeben. Bis zum Ausbruch der Krise liefern derartige Kredite über die Geschäftsbanken, doch das ist schon längst nicht mehr der Fall. Das Problem für die Bundesbank: Die Target-2 Kredite sind nicht besichert (also mit anderen Assets oder Vermögenswerten abgesichert. Anmerkung der Redaktion.) Käme es im Parlament eines Eurolands zu einem Beschluss, die Eurozone zu verlassen und eine neue Währung einzuführen, bliebe die Bundesbank auf ihren Forderungen gegenüber dem jeweiligen Land sitzen.

Wie wird es nun in der Euro-Staatsschuldenkrise weitergehen? Das Verleugnen und Vertuschen wird sich den harten Realitäten stellen.

Ein ,,Bail-out" oder auch nur eine teilweise Übernahme der italienischen Staatsschulden durch den ESM, um die Verschuldung wenigstens unter 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken, ist wegen seines Volumens unmöglich und politisch nicht durchzusetzen.

Somit entscheidet am Ende der Bond-Markt, also der Markt für Staatsanleihen. In letzter Zeit hatten überwiegend die jeweiligen Banken in den Krisenstaaten die eigenen Bonds gekauft. Andere Käufer oder internationale Investoren finden sich kaum. Italienische Bonds liegen beispielsweise derzeit zwei Bewertungsstufen über ,,Junk". Internationale Investmentfonds werden deshalb verständlicherweise keine italienischen Staatsanleihen mehr kaufen und haben das auch in jüngster Vergangenheit nicht mehr getan.

Die Aussichten selbst auf ein mäßiges, dauerhaftes Wirtschaftswachstum sind nirgendwo in den Krisenländern auszumachen. Dazu kommt die steigende Arbeitslosigkeit. Aktuell suchen 19,1 Millionen Menschen in der Eurozone einen Job. Für das Jahr 2014 wird mit 20 Millionen Arbeitssuchenden gerechnet.

Also bleibt die Bewältigung der Staatsschulden bei der EZB. Sollte die Krise alsbald neue Fahrt aufnehmen, wird Mario Draghi mit dem OMT-Programm einspringen, Staatsanleihen aufkaufen und Geld und Vermögen entwerten.

Damit wird die EZB versuchen, den Staaten Zeit zu kaufen.

Schon 2011 hat sie mit genau diesem Argument die Druckerpresse angeworfen.

Gebracht hat es nichts.

Die Zeit ist verstrichen, die Staaten bleiben untätig, Angela Merkel wurde wiedergewählt.

Die Schulden sind gestiegen.

Die Experten streiten, ob es zu einer Inflation oder einer Deflation kommen wird.

Die Experten streiten, was schlimmer sein wird.

Über eines streiten die Experten jedoch nicht mehr: Dass mit dem Ende der Schulden-Politik das Ende des Wohlfahrts-Staats kommen wird. Der niederländische König hat es in einer Thronrede beeindruckend ehrlich und nüchtern gesagt (mehr hier).

Die Deutschen warten noch auf eine solche Ankündigung.

Sie werden nicht mehr lange warten müssen.

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/10/02/die-grosse-schulden-luege-europa-mit-voller-kraft-auf-pleite-kurs/
"Vertrauen Sie denen, die nach der Wahrheit suchen, und mißtrauen Sie
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(André Gide)

Hans

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Die neue "Deutsche Frage": Angela Merkel als Kanzlerin Europas?
Schlafende Dämonen
Von Hans Georg

Berlin startet eine neue Offensive zur Festigung seiner Dominanz über die EU und zur Stärkung seiner weltpolitischen Position. "Stimmen" im In- und Ausland nähmen zu, die "in Europa und in der Welt (...) eine starke Rolle Deutschlands" forderten, behauptete Bundespräsident Joachim Gauck vergangene Woche zum diesjährigen Nationalfeiertag. Die Bundesrepublik sei "keine Insel" und dürfe sich in Zukunft nicht mehr "klein mach(en)"; schließlich handle es sich bei ihr um "die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt". Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker sieht in Gaucks Äußerungen starke Parallelen zu der Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg.

Weiter: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19536
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Hans

Frontalangriff auf die Meinungsfreiheit


Vor einiger Zeit bin ich auf ein Strategiepapier mit dem Titel "A EUROPEAN FRAMEWORK NATIONAL STATUTE FOR THE PROMOTION OF TOLERANTE"  aufmerksam geworden. Der Titel dieses Strategiepapiers oder des Gesetzentwurfs wirft natürlich Fragen auf. Entsteht ein Gesetzentwurf für Toleranz? Es dürfte klar sein, dass Toleranz keine Handlung, sondern eine Geisteshaltung ist. Wenn Geisteshaltungen gesetzlich vorgeschrieben oder verbreitet werden, dann sollte dies bedenklich stimmen. Es ist etwas faul im Staate EU.

Der ,,Europäische Rat für Toleranz und Versöhnung",  European Council for Tolerance and Reconciliaton" (ECTR) hat das Dokument "Europäisches Rahmenstatut zur Förderung der Toleranz" (PdF!) aufgelegt, ohne Datum, dessen Richtlinien ,,in den europäischen Staaten gesetzlich verankert werden" sollen. Am Anfang stehen Begriffe wie Respekt gegenüber der Menschenwürde, Toleranz, Integration, Meinungsfreiheit, Koexistenz zur Stärkung der Gesellschaft. Wer würde dies  ablehnen und nicht unterschreiben wollen?

Ein an Orwell geschulter Leser würde jedoch aufhorchen, meint Martin Lichtmesz. Auch heise.de hat sich mit dem Entwurf kritisch auseinander gesetzt und insbesondere auf die Section 2e aufmerksam gemacht. Diese sieht vor, dass die EU "konkrete Maßnahmen" ergreift, um Rassismus, Vorurteile nach Hautfarbe, ethnische Diskriminierung, religiöse Intoleranz, totalitäre Ideologien, Xenophobie, Antisemitismus, Homophobie und "Anti-Feminismus" zu "eliminieren". ("Take concrete action to combat intolerance, in particular with a view to eliminating racism, colour bias, ethnic discrimination, religious intolerance, totalitarian ideologies, xenophobia, anti-Semitism, anti-feminism and homophobia", Section 2c).

Das Problem steckt darin, dass unter dem Deckmantel der Toleranz eine Geisteshaltung gesetzlich vorgeschrieben werden soll. Kritik an Feminismus und an Homosexuellen-Themen sollen nach diesem Entwurf verboten werden. Dies bedeutet, ideologischer Standpunkte werden gesetzlich geschützt, wodurch ein direkter Eingriff in die Meinungsfreiheit erfolgt. Beispielsweise werden Schwule, Lesben, Feministinnen nach diesem Entwurf von Kritik freigestellt, heterosexuelle Männer dagegen nicht. Die Kritik von heise.de bezieht sich insbesondere auf den Feminismus, bei dem es sich um keinen der genetisch oder kulturell determinierten Gruppenmerkmale handle, sondern um eine politische Ideologie.

Der Artikel 5 des Grundgesetzes schützt die Meinungs-, die Presse-, die Kunst- und die Wissenschaftsfreiheit. Die im Entwurf vorgesehene "Eliminierung" von Kritik lässt sich kaum damit vereinbaren. Aber es zeigt sich in dem Papier noch eine andere Gefahr: Nicht nur die Kritik am Feminismus könnte strafbar werden, sondern auch die Kritik an anderen Ideologien. Deren Vertreter könnten sich auf den Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes berufen und fordern, dass auch die Kritik an ihnen verboten wird. Die Freiheit von Kritik könnten dann beispielsweise die Sozialdemokratie, der Ökologismus, der Libertarismus und viele andere für sich in Anspruch nehmen.

Aber es geht noch weiter. In Section 3, Punkt 3 wird  betont, dass dieser Toleranzzwang nicht nur für den Umgang von Regierungen mit Bürgern, sondern auch für den Kontakt aller Individuen untereinander gelten müsse: "It is important to stress that tolerance must be practised not only by Governmental bodies but equally by individuals,  including members of one group vis-à-vis another." In einer Art Präambel heißt es: "Whereas the concept of tolerance is the opposite of any form of unlawful discrimination, ...". Das bedeutet, der Begriff ,,unlawful" wird derart ausgeweitet, dass öffentliches Recht auf Privatpersonen ausgedehnt wird und dass es zukünftig schon als "Verleumdung" gewertet werden soll, wenn sich jemand über eine der aufgeführten Gruppen lustig macht (Section 1b).

Zur Kontrolle und zur Durchsetzung der Vorschriften sollen neue Behörden eingerichtet werden (Section 6c). Gefordert wird außerdem, dass Verstöße nicht als einfache, sondern – strafverschärfend – als "qualifizierte" Straftaten gelten sollen (This Sub-Section defines acts punishable as aggravated crimes, Section 7). In einer weiteren Sektionen wird geregelt, dass die Vorgaben bereits in den Grundschulen Teil des Unterrichts werden (Section 8). Den Radio- und Fernsehsendern sollen Mindestprogrammanteile vorgeschrieben werden, in denen sie das "Klima der Toleranz" verbreiten sollen und (Section 9).


Caillea Birgit Rakow-Grebenstein
 



► Originaltext des sog. Strategiepapiers (engl.): "Europäisches Rahmenstatut zur Förderung der Toleranz" – siehe Anhang


► Bildlegende:

Die dreiteilige Bronzefigur wurde 2001 vom Mildenfurther Künstler Volkmar Kühn erschaffen und befindet sich auf dem Puschkinplatz in Gera. Eine Figur dieser 3er-Gruppe hat eine andere Farbe als die Anderen. Die Farbe steht als Symbol für eine andere Sprache, eine andere Philosophie, eine andere Religion usw. Die Skulpturengruppe soll die Menschen anregen oder auch nachdenklich machen, den Menschen toleranter entgegenzutreten.
http://kritisches-netzwerk.de/forum/frontalangriff-auf-die-meinungsfreiheit
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Hans


Getollschockter Kontinent und ein Hoffnungsschimmer
Montag, 11. November 2013
Wir erleben hier im alten Europa gerade den vielleicht größten und dreistesten Raubzug in der menschlichen Historie. Die Flanken des Kontinents werden vom Norden her gemolken und geschächtet. Europa wird von Außen her schocktherapiert. Im Inneren ist die neoliberale Rosskur bislang noch in dezenteren Dosen verabreicht worden. Doch es kommt sicherlich auch da noch dicker.

Schocktherapie: "Ausschalten, ihr
kraschnigen Schufte, ich halt's nicht
mehr aus!"
Die Schocktherapie von IWF, Weltbank und Europäischer Zentralbank wurde schon in Lateinamerika erprobt. Wer wissen will, was kommt, der braucht nur die jüngere Geschichte des südlichen Amerika studieren. Die Rezeptur besteht aus: Lohn- und Rentenkürzungen, Entlassung von Staatsbediensteten, Versteigerung öffentlicher Unternehmen und Marktderegulierungen im großen Stil. Der argentinische Politologe Borón verglich die Programme in Griechenland, Irland und Portugal mit denen, die man einst lateinamerikanischen Ländern aufbürdete und kommt zu dem Fazit: "Es ist die gleiche Wirtschaftspolitik, es ist die gleiche Schocktherapie, und es sind auch die gleichen Hauptakteure."

Naomi Klein hat den Begriff der Schock-Strategie oder Schocktherapie im Zusammenhang mit dem global agierenden Neoliberalismus und seinen Institutionen geprägt. Immer wenn ich den Begriff höre, kommt mir jedoch Anthony Burgess' Nadsat in den Sinn, eine künstliche Modesprache, die er den Figuren seines Romans Clockwork Orange in den Mund legte. Die deutsche Nadsat-Übersetzung kennt zum Beispiel roboten als arbeiten und tollschocken als schlagen. Letzteres passt als Wort besonders gut in die europäische Szenerie, finde ich. Ja mir scheint, dieses Europa in schocktherapeutischer Behandlung wird ordentlich getollschockt.

Lateinamerika war lange Zeit eine solch getollschockte Weltregion. Teilweise ist es das immer noch. Egal ob in Chile, Venezuela, Bolivien, Argentinien oder Brasilien: Überall waren die Vorgaben oder gar Eingriffe seitens der Troika dieselben. Die Völkerschaften wurden immer ärmer, die nationalen Eliten immer reicher. Man gewährte Unterstützung, wenn man die Sozialausgaben kürzte, empfahl aber nie Steuererhöhungen für die Reichen des Landes. Die Gewinne aus Bodenschätzen schoben sich Eliten und zu noch größeren Teilen multinationale Konzerne ein. Ein berühmtes Paradox, das den Fatalismus deutlich macht, lautete dort: Rohstoffe unter den Füßen zu haben bedeutet Armut. An eine Verbesserung der Lebenssituation konnte man nicht mehr glauben. Es fielen Konzerne ein, die sich Privatarmeen hielten und die örtlichen Eliten schmierten und sich den Rahm abschöpften. Für die Menschen blieb nichts außer schlecht bezahlte Jobs und Dörfer, die plötzlich, sofern nicht plattgemacht, so doch im Orbit unkontrollierter Umweltbelastungen lagen.

Diese Erfahrungen haben das lateinamerikanische Selbstbewusstsein aber rückblickend auch gestärkt. Es entstand ein südamerikanischer Mythos, der durchdrungen ist von Simón de Bolivárs Streben nach südamerikanischer Einheit in Freiheit, José Martís humanistischen Kampf gegen Imperialismus und von Che Guevaras egalitaristischen Gedanken in seiner Latinoamericana. Nicht zuletzt deshalb spricht man in Venezuela und Bolivien von der bolivarianischen Revolution, um die geistige Herkunft der Bewegung zu unterstreichen. Es destillierte sich unter der Knute nach und nach ein Bewusstsein heraus, in dem sich Lateinamerika nicht nur als Konkursmasse imperialer Reiche oder deren Global Player einstufte, sondern als eine Wertegemeinschaft, die durch Geschichte, Völkermixtur und Unterdrückung entstand.

Die Befreiungstheologie ist durchaus als eine religiöse Vorhut der späteren politischen Bewegungen zu bewerten. Beides baute auf diese kontinentale Erfahrung. Der Nobelpreisträger García Marquéz arbeitete dieses gemeinsame Bewusstsein einer lateinamerikanischen Gesellschaft, die auf gemeinsame Erfahrungen im Angesicht des Katastrophen-Kapitalismus baute, in seinen Büchern heraus. Der Nobelpreisträger Mario Vargas ist allerdings die Kehrseite dieser Medaille. Er sah sich stets als Nachfahre der alten spanischen Aristokratie und verwehrte sich gegen die Ansprüche, die ein gemeinsames Erbe von Schwarzen, Indigenen, Europäern und Asiaten stellte.

Im getollschockten Europa spricht man viel von der Wertegemeinschaft, die Europa sein soll. Davon ist seit geraumer Zeit immer weniger zu spüren. Es befindet sich im Prozess der Renationalisierung und es formiert sich eine Entfremdung zwischen den Nachbarn. Die Erfahrungen mit dem Neoliberalismus, den neoliberalen Diktaturen und Programmen, den Enteignungen und Privatisierungen, haben ein lateinamerikanisches Bewusstsein gemeinsamer Herkunft und Ideale entstehen lassen. Plötzlich war man mehr als ein Kontinent voller Nationen. Man nahm sich als Schmelztiegel wahr, in dem die lateinamerikanische Ethnie entstand. In dem man die Grenzen als Produkte des Imperalismus entlarvte, als künstliche Linien, die das gemeinsame Erbe spalten sollten, um letztlich dem neoliberalen Kapitalismus, der dem Imperalismus folgte, ein durch divide et impera geschwächtes Terrain zu hinterlegen.

Dieses aktuelle Europa könnte im Angesicht der Schocktherapie vielleicht endlich die Wertegemeinschaft werden, die es nie war, die es aber seit dem Vertrag von Maastricht als rhetorisches Füllsel, als Sonntagsrede und Plattitüde führt. Die Abschottung in ein Europa der Nationen, die sich gegenseitig aufhetzen, verspotten, diffamieren und entweder für Menschenfresser oder Faulpelze halten, dient nur dem Neoliberalismus.

Nein, in Südamerika ist nicht alles gut geworden, nachdem der neoliberale Kapitalismus dort abgegrast hatte. Aber man weiß nun wenigstens, wohin es gehen soll, für wen und was Notwendigkeiten auf den Weg in eine bessere Zukunft sind. Kein Kontinent gehört Konzernen und Finanzjongleuren. Auch Europa nicht. Dass der Neoliberalismus nicht das letzte Wort hat, könnte man von Südamerika lernen. Kein Raubzug kann ewig dauern. Irgendwann ist er zu Ende oder ihm gehen die Menschen aus, die er berauben kann.
http://ad-sinistram.blogspot.de/2013/11/getollschockter-kontinent-und-ein.html
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Hans

Gekaufte Staatsbürgerschaft
Malta ist kein Einzelfall

Malta ist nicht das einzige Land in der EU, das Staatsbürgerschaften gegen Bezahlung anbietet: Ungarn, Irland, Portugal und Österreich machen es ähnlich. Wohlhabende Menschen haben grundsätzlich höhere Chancen auf eine Einbürgerung. Das ist auch in Deutschland so.

Von Sabine Hackländer, ARD-Hörfunkstudio Brüssel

Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsgenehmigungen gegen Bezahlung - das können auch andere in der EU. Ungarn belohnt ausländische Investoren mit einem Pass, wenn sie in Staatsanleihen des Landes investieren. Mindestwert 250.000 Euro. In Irland bekommt man eine Aufenthaltsgenehmigung, wenn man sich mit mindestens 500.000 Euro an einem öffentliche Projekt in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Kunst oder Sport beteiligt.

Staatsbürgerschaften gegen Bezahlung in der EU
S. Hackländer, SWR Brüssel
13.11.2013 15:02 Uhr

Download der Audiodatei

Portugal verlangt den Kauf einer Immobilie als Gegenwert zur Staatsbürgerschaft und Österreich verleiht Staatsbürgerschaften wegen "der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik". Laut Medienberichten waren das in der Vergangenheit beispielsweise ein saudischer Hotelinvestor oder die russische Sängerin Anna Netrebko.
Freie Wohnortwahl in der EU

Die Neubürger haben damit auch das Recht erworben, innerhalb der Europäischen Union frei zu reisen oder sich in einem anderen Mitgliedsland niederzulassen. Ob das wohl ein Grund für die EU sei, sich einzumischen in solche Art von Geschäften wollten Journalisten in Brüssel wissen. Die klare Antwort der Kommission dazu: "Mitgliedsstaaten haben volle Souveränität zu entscheiden, wie und wem sie ihre Nationalität zugestehen", so der Komissionssprecher Mikele Cercone. "Die Prinzipien des internationalen Rechts besagen, dass jedes Mitgliedsland selbst die Bedingungen für den Erwerb ihrer Staatsbürgerschaft festlegen darf."
Grenze Österreich (Bildquelle: picture alliance / dpa)
galerie

Österreich vergibt Staatsbürgerschaften wegen "außerordentlicher Leistungen" für die Republik.
Offene Türen für Investoren

Diese vom Europäischen Gerichtshof bestätigte Regel gilt auch, wenn es den Neubürgern offensichtlich und ausschließlich darum geht, Geschäfte in der EU zu machen. "Es gibt keine einheitlichen Regeln für die Einreise von Drittstaaten-Investoren innerhalb der EU", so Cercone. "Also bestimmen die Mitgliedsstaaten selbst, wem sie Investitionen in ihrem Land erlauben wollen."

Reiche Menschen haben es folglich weitaus leichter, in EU-Staaten eingebürgert zu werden. Das gilt letzlich wohl auch für Deutschland: Hier werden gut ausgebildete Ausländer gesucht und angeworben, während diejenigen, die in den Augen deutscher Behörden wirtschaftlich keinen Nutzen bringen, relativ geringe Chancen auf eine Einbürgerung haben.
http://www.tagesschau.de/ausland/aufenthaltsgenehmigungen100.html
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Wird Spanien das Testfeld einer EU-Diktatur?
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spanienrevolution
 
Soziale Unruhen, Demonstrationen und unzählige Obdachlose passen nicht ins Bild. Weder in jenes Spaniens noch in das der Brüsseler Eurokraten. Die restriktiven Möglichkeiten im Vertrag von Lissabon öffnen die Türen für jene Politeliten, die mit repressiven Maßnahmen jeglichen Bürgerprotest schon im Keim ersticken wollen. Spanien macht nun den ersten Schritt.
Mit einem neuen "Gesetz zur öffentlichen Ordnung" versucht die spanische Regierung das Recht auf Demonstrationen massiv einzuschränken. Demonstrationsaufrufe ohne Genehmigung gelten demnach als "Anschlag auf die öffentliche Ordnung" und können mit Geldstrafen von 30.000-600.000 Euro belegt werden, sobald diese vor dem Parlament, dem Senat oder einem der Regionalparlamente stattfinden sollen. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Demonstration gar keine Parlamentssitzung abgehalten wird.
Doch selbst bei angemeldeten und erlaubten Demonstrationen können den Organisatoren Geldstrafen von bis zu 600.000 Euro drohen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Protestmarsch eskaliert, und es hierbei zu Straßenschlachten zwischen den Demonstranten sowie den Sicherheitskräften kommt. Hohe Bußgelder gibt es ebenfalls, wenn man die Polizei bei der "Arbeit" filmt oder fotografiert und dieses Material mit entsprechendem Begleittext in Umlauf bringt. Auch das gilt künftig als "schwere Ordungswidrigkeit". Nicht einmal das Tragen von Kapuzen (ein sehr weit ausgelegtes Vermummungsverbot) oder gar passiver Widerstand wird in Zukunft geduldet. Wer nicht bedingungslos und vollumfänglich mit der Polizei kooperiert, darf sich auf Geldbußen von bis zu 30.000 Euro gefasst machen.
Als wären die drastischen Verschärfungen beim Demonstrationsrecht noch nicht genug, müssen daher die Verlierer des Sparkurses infolge der Wirtschafts- und Finanzkrise mit saftigen Bußgeldern rechnen. Obdachlose, von denen es Dank der unzähligen Delegierungen inzwischen schon hunderttausende gibt, können mit Strafen von bis zu 750 Euro rechnen, wenn sie auf Parkbänken übernachten oder sich mit Straßenmusik zumindest ein paar Münzen verdienen möchten.
Viele Menschen in Spanien fühlen sich angesichts dieser Maßnahmen der konservativen Regierung an die Franco-Diktatur erinnert. Denn selbst Aufrufe zur "Störung der öffentlichen Ordnung" via Social Media Diensten können im Zuge der drastischen Verschärfung der Gesetzeslage mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden. Immerhin, so die Ansicht der konservativen Politiker, sollen jene Menschen, die im Internet zu Protesten aufrufen, als "Mitglieder krimineller Vereinigungen" gelten. Der katalonische Innenminister, Felip Puig, meinte sogar "Wir brauchen ein System, das den Demonstranten Angst macht!"
Im Hinblick auf die Möglichkeiten im Rahmen des als EU-Verfassung geplanten Vertrags von Lissabon sowie der zunehmend repressiven Tendenz gegenüber den protestierenden Bürgern, darf man ohne weiteres vermuten, dass das krisengeplagte Spanien ein Testfeld für eine zukünftige EU-Diktatur sein soll. Angesichts der aufgeheizten Stimmung im Land und den unzähligen Protestmärschen gegen die unsoziale Politik, erscheint dies durchaus als wahrscheinliches Szenario.
Es stellt sich nur noch die Frage, wann die Bundesrepublik Deutschland und Österreich nachziehen und das Grundrecht auf Demonstrationen sowie freie Meinungsäußerungen endgültig ad absurdum geführt werden. Jeder Politiker in Europa, der diese massive Einschränkung der Grundrechte befürwortet, hat meiner Ansicht nach jedenfalls sein Recht verwirkt, die Menschenrechtssituation in anderen Ländern zu kritisieren.
Ihr
Marco Maier
http://www.buergerstimme.com/Design2/2013-11/wird-spanien-das-testfeld-einer-eu-diktatur/
"Vertrauen Sie denen, die nach der Wahrheit suchen, und mißtrauen Sie
denen, die sie gefunden haben."
(André Gide)